Früher hieß es, der Mistral könne Stieren die Hörner abreißen und junge Frauen schwängern. Diese alten Sprüche sind Geschichte, aber der "Herr der Winde" ist auch heute noch gefürchtet. Der Mistral ist aus der provenzalischen Kultur nicht wegzudenken: Er formt die Landschaft, bestimmt die Anbaupraktiken, kristallisiert das Salz und inspiriert Maler, Sänger und Schriftsteller. Und im Sommer entfacht er die Waldbrände im Südosten Frankreichs. Der kalte und stürmische Fallwind weht durch das südliche Rhônetal und bahnt sich seinen Weg durch atemberaubende Landschaften, vom Mont Ventoux bis zu den Salzmarschen von Aigues-Mortes. Segensreich und zerstörerisch zugleich, zwingt der Mistral Mensch und Natur, sich anzupassen. Er ist ein nützlicher Helfer: Die Winzer verlassen sich auf ihn, die Müller versorgt er mit der nötigen Energie für ihre Mühlen und in den Salzgärten der Camargue trocknet er die Marschen aus und lässt die Salzkristalle wachsen. Sein dämonisches Gesicht zeigt er, wenn er im Sommer die Brände in den trockenen Wäldern der Alpilles entfacht oder das Meer vor den Frioul-Inseln gefährlich aufwühlt. Der Mistral weht über Weinberge und Dörfer, über Schluchten und Sümpfe, über Klippen und Meer. Wer ihm folgt, entdeckt die Geschichte einer wunderschönen Region und erfährt, wie sich Mensch und Natur im Laufe der Jahrhunderte an den kalten und stürmischen Fallwind aus dem Norden und Nordwesten angepasst haben.